. LEITFÄHIGE TEILCHEN IM ELEKTRISCHEN FELD
Figure: Unter dem Einfluß einer Hochspannung bilden in Rizinusöl
befindliche elektrisch leitfähige Teilchen kooperativ eine stationäre
dendritische Struktur aus.
Mittels der in Abbildung skizzierten Apparatur werden
elektrische Ladungen auf die Oberfläche einer am Rand durch
eine Ringelektrode geerdeten Plexiglasschale
aufgesprüht, die etwa drei Millimeter hoch mit elektrisch isolierendem
und hochviskosem Rizinusöl gefüllt ist. Unter dem Einfluß des
fließenden elektrischen Stromes ordnen sich die in der Schale anfänglich
statistisch verteilten Metallkügelchen zu dendritischen
Strukturen. Aufgrund der hohen Viskosität des Öles übersteigen die
mechanischen Zeitkonstanten die elektrischen um ein Vielfaches, so daß
das Versklavungsprinzip anwendbar ist, und das System in einen stationären
Zustand einläuft. Nach Einschalten der Hochspannung, die als
Kontrollparameter wirkt, durchläuft das System eine Folge von Instabilitäten
bis es einen stationären Zustand minimaler Dissipation einnimmt
[Mer90].
Die entstehenden Strukturen sind Dendriten, d.h. sie sind hierarchisch verzweigt und einfach zusammenhängend.
Während des Strukturbildungsprozesses lassen sich Selbstverstärkungs-Effekte beobachten; die noch frei herumliegenden Kügelchen lagern sich mit der größten Wahrscheinlichkeit an die längsten Äste an. Wie wegen der kleinen Krümmung und deshalb großen Divergenz des elektrischen Feldes zu erwarten ist, werden die Ladungen tatsächlich durch die Dendritenenden aufgenommen, die sich bei einer kurzeitigen Erhöhung der angelegten Spannung dazu zur Öloberfläche hin heben. Daß der letztlich eingenommene stationäre Zustand stabil ist, läßt sich nach Erreichen desselben durch leichtes Verschieben einzelner Kügelchen aus ihrer Position zeigen. Wird die Hochspannung anschließend wieder angelegt, kehren sie nämlich instantan in ihre alte Lage zurück.
Man beobachtet auch das Phänomen der Selbstorganisation: Während alle Kugeln gleichartig sind, differenzieren sich ihre Aufgaben während der Ausbildung der Struktur. Eine einzige Kugel erhält die zentrale Aufgabe des Anschlusses des Dendriten an die Ringelektrode, eine andere Teilmenge sammelt Ladungen ein, etc.
Zwar sind die Strukturen bei oftmaliger Wiederholung des Experimentes
mesoskopisch (in der Größenskala der einzelnen Kügelchen) nicht
reproduzierbar, dennoch existieren makroskopische Beschreibungsgrößen,
die unter gleichen Versuchsbedingungen im Rahmen einer
Genauigkeit von schlechtestens 10% immer gleich sind. Eine davon
ist die sog. fraktale Dimension (vgl. Abschitt ).