Vor einigen Jahren wurde im Rahmen der Diskussion um die Einführung einer verbindlichen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für evtl. umweltgefährdende Projekte seitens der Verwaltungsbehörden angeführt, daß sie die wesentlichen Punkte ohnehin prüfen würden und deshalb eine zusätzliche UVP unnötig sei. Der entscheidende Punkt ist aber, daß in der UVP neben den direkten Auswirkungen des Projekts auf Wasser, Luft, Boden, Mensch, Sachgüter, etc. nun auch die Wechselwirkungen dieser Folgen untersucht werden müssen. Im Bundesgesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP wanderte dieser Punkt in einen Nebensatz und die Beurteilung der Wechselwirkungen bleibt einem Verwaltungsbeamten überlassen, der dann eigentlich ein interdisziplinär gebildeter Wissenschaftler sein müßte. Das Problem ist offensichtlich, daß diese Art von Wissenschaftlern noch sehr rar sind und, daß sich diese Lage im Trend anhaltender Spezialisierung wohl auch nicht verbessern wird. Auf der anderen Seite steigt auch der Druck und das Interesse der Bevölkerung, bürgernähere und weniger spezialisierte Wissenschaftler als Entscheidungsträger vor die Nase gesetzt zu bekommen. In diesem Zusammenhang ist auch die Gründung von Organisationen wie den ,,Wissenschaftsläden`` oder Zeitschriften wie ,,Wechselwirkung`` zu verstehen - neben der Unzahl von Umweltschutzgruppen, die ja ebenfalls oft interdisziplinär arbeiten.
Man darf natürlich bei der Betrachtung der Strukturbildung in der Wissenschaft in den letzten 100 Jahren nicht übersehen, daß die tiefgehende Spezialisierung Fortschritte und Erkenntnisse möglich gemacht hat, die anders nicht zu erreichen gewesen wären. Man denke nur an Teile der modernen Physik, die Halbleiterindustrie oder auch den modernen Maschinenbau.