2. Paradigma: Beschränkte Prognose durch schwache Kausalität


Das Prinzip der schwachen Kausalität besagt, daß für genau gleiche Ausgangsbedingungen genau gleiche Wirkungen erzielt werden. Das Prinzip der starken Kausalität geht noch einen Schritt weiter und verspricht für ähnliche Anfangsbedingungen ähnliche Wirkungen.

Chaotische Systeme zeichnen sich dadurch aus, daß sie die starke Kausalität verletzen. Bei ähnlichen Anfangsbedingungen entwickeln sich Folgezustände auseinander. Nach genügend langer Zeit kann keine Ähnlichkeit der Folgezustände in Abhängigkeit der Anfangszustände mehr registriert werden.

Im Alltagsdenken tritt die fast ausschließlich das Prinzip der starken Kausalität zutage. Als Beispiel sei die Füllung eines Planschbeckens mit Wasser angeführt. Die Durchflußöffnung im Wasserhahn läßt sich in Zusammenhang bringen mit der Zeit, die man zu fluten braucht. Ist der Hahn nur wenig geöffnet, holt man sich einen Sonnenbrand, ist er dagegen voll aufgedreht, kann man nicht mal in Ruhe sein Bier trinken, bis das Becken gefüllt ist. Näherungsweise kann man den Zusammenhang partiell auch linearisieren.

Nach dem Prinzip der schwachen Kausalität ist eine solche Zuordnung dagegen nicht mehr zulässig. Würde beim Befüllen des Planschbeckens nur die schwache Kausalität zugrunde liegen, wäre es von großer Bedeutung, ob der Hahn einen Millimeter weiter aufgedreht wäre oder nicht, da im ersteren Fall die Befüllung vielleicht zwei Stunden länger dauern könnte, obwohl das Planschbecken früher als im zweiten Fall halbvoll gewesen sein könnte. Alles klar? - Absurd! Wirklich? Zugegeben in Sachen Planschbeckenbefüllung vielleicht. Aber wenn man das Wetter betrachtet, läßt sich genau dieses Prinzip beobachten. Über einen kurzen Zeitraum (maximal einige Faltungszyklen) kann man die starke Kausalität hier noch anwenden. Doch sehr schnell tritt dann die offensichtliche Verletzung der starken Kausalität zutage.

Dennoch müssen nicht alle Parameter des Systems die starke Kausalität verletzen (siehe 8. Paradigma: Versklavungsprinzip) [3, S. 350ff].

Wichtig dabei ist nicht, daß die Anfangsbedingungen meßbar auseinander liegen, sondern es langt die Tatsache, daß nach der Heisenberg'sche Unschärferelation sowohl Ort und Impuls eines Teilchens nicht beliebig genau festlegen lassen. Bei Simulationen mit Digitalrechnern besteht darüber hinaus das Problem, daß für eine unendlich genaue Zahlenbeschreibung und -rechnung für transzendente Zahlen nicht möglich ist.