Im vorangegangen Kapitel haben wir gesehen, daß sich die
heutigen Coputersysteme nich mehr nur als Werkzeug sehen lassen,
die entweder funktionieren oder eben nicht. Die
Nichtdeterminiertheit 7)
der Systeme erwecken bei dem Anwender die Ansicht, daß es sich
nicht um eine Sache handle die man benutzt, sondern um eine
"Intelligenz" die mit dem Anwender interagiert. Wie bei
der Mensch-Mensch Kommunikation, bei der man die Reaktion des
Gegenübers nicht immer voraussagen kann, so kann man nun auch
die Interaktion von mensch zu Computersystemen in einigen Fällen
als Kommunikation verstehen, mit seinen Vor- und Nachteilen. Wie
läßt sich nun die Kommunikation beschreiben und welchen
Einfluß hat es, welcher Mensch (mit welchen Erwartungen) vor dem
Computer sitzt?
Der Grundvorgang der Kommunikation läßt sich relativ einfach
beschreiben.
Jemand (Sender) möchte etwas (eine Botschaft / hier: Anweisung)
mitteilen. Er verschlüsselt sein Anliegen bzw. wählt ein
möglichst geeignetes Medium. Der Empfänger muß diese Nachricht
nun wieder entschlüsseln.8)
Früher wurde von den Computerbenutzern verlangt, daß der Sender
seine Botschaft maschinenlesbar mitteilt (codiert). Dies
erforderte eine enorme Anstrengung des Senders, sich in die Logik
der Maschine einzuarbeiten, dessen "Sprache" zu
erlernen und diese auch noch fehlerfrei über nur einen Kanal
(Tastaur) einzugeben.
Durch Entwicklung der Computersysteme ist es heute möglich, daß
der Sender seine Botschaften in der ihm vertrauten Sprache über
verschiedene Kanäle (Spracherkennung, Tastatur, Maus...) dem
Computer mitteilen kann. Dadurch werden allerdings neue
Fehlerquellen geschaffen, wie sie die Soziologen schon von der
Mensch-Mensch Kommunikation kennen.
Insbesondere beim Ver- und Entschlüsseln von Botschaften schleichen sich Fehler ein, die die Verständigung erschweren bzw. unmöglich machen. Bei der Informationsübermittlung gibt es vielerlei Fehlermöglichkeiten:
Beispiel: Der Anwender möchte seine Seminararbeit ausdrucken und gibt dem Computer die Anweisung zu schreiben. Obwohl für den Anwender ganz klar ist daß der Computer seinen Text mit dem Drucker scheiben soll, kann je nach Programm das Schreiben als Speichern (schreiben der Daten auf Diskette) oder als Ausgabe der Zeichen als Code an der Drucker interpetiert werden. Laufen in ein und demselben Computersystem verschiedene Programme ab (eines wurde in Japan, das andere in den USA übersetzt), läßt sich nicht sagen wie der Computer auf die Eingabe des Befehls reagieren wird.
Während das Computersystem nur einen reinen Sachinhalt erwartet (Aufforderung zu einem bestimmten Verhalten, z.B zu Drucken oder zu Faxen) können in der sprachlichen Form des Anwenders verschiedene Beteutungsebenen die Art beeinflussen, wie der Anwender glaubt, die gewünschte Reaktion zu erhalten:
Besonders die Einstellungen des Anwenders tragen in großen
Maße dazu bei, das Verhalten des Computern einzuschätzen.
Beobachtet der Anwender eine Gleichförmigkeit und
Regelmäßigkeit des Verhaltens fühlt er sich in der Bedienung
sicher, er hält das Verhalten für kalkulierbar und erkennt eine
Transparenz zwischen Eingabe und Ausgabe. Die Ängste vieler
Menschen vor dem Umgang mit dem Computer rühren aber auch daher,
daß deren Verhalten oftmals wenig kalkulierbar und durchschaubar
scheint. In der Soziologie wird dies als die soziale Norm
bezeichnet, die ein Verhalten erwartbar, dadurch kalkulierbar und
transparent macht. Die wichtigsten Dimensionen einer Norm sind:
Diese drei Punkte stehen in Beziehung zueinander. Der
Erwartungs- unf Forderungscharakter von Normen hat zwei wichtige
Seiten: eine antizipatorische und eine normative. Man weiß oft
im Voraus, wie man sich in einer definierten Situation verhalten
wird und hat entsprechende Erwartungen auch an das Verhalten von
Personen (in unserem Fall vom Computer) mit denen man umgeht. 9) Diese
Antizipationen haben dabei eine wichtige Steuerungsfunktion. man
nimmt Gedanken vorweg, wie das gegenüber auf verschiedene
Reaktionen reagieren könnte und stellt entsprechend sein
Verhalten darauf ein.
Diese Verhaltenserwartungen gehen in der Interaktion des Menschen
mit dem Computersystem eine interessante Allianz ein. Einerseits
wirkt der mensch mit seinen Erwartungen auf das Computersystem
ein, kann er dessen Normen jedoch nicht ändern so kommt es zu
einer Anpassung des Menschen an die Normen des Computers. Wie der
Computer indirekt die ihm auferlegten Beschänkungen als Norm dem
Anwender auferlegen kann bezeichen Soziologen als
Verhaltenserwartungen. Diese haben einen verpflichtenden,
norminativen Charakter. Die verpflichtung kann jedoch
unterschiedlich stark sein, je nachdem ob es sich, ob sog. Muß-Erwartungen
(zum Löschen der Datei muß delete eingegeben werden) oder Soll-Erwartungen
(Bei Anzeichen einen instabielen Systems sollte eine
Vierenprüfung durchgeführt werden) oder Kann-Erwartungen (der
Benutzter kann ein Index der txt-Dateien anlegen).
Die einhaltung der Normen regelt der Coputer über Sanktionen.
Menschen zeigen Reaktionen auf das Verhalten ihres Gegenübers;
der Computer zeigt diese Reaktionen, indem er den Wünschen des
Anwenders nachkommt oder mit einer unbefriedigenden Reaktion
antwortet. Positive Sanktionen sind Belohnungen in Form von
Zustimmung, Ausführung nach Vorstellung, (Lob), oder das Gefühl
der Befridigung duch dieses Verhalten selbst. Man "schlägt
sich selber auf die Schulter" dafür, daß man so ein
"toller" Computerspezialist ist.
Negative Sanktionen als Reaktion auf falsche Eingaben können in
Strafen, falschem Verhalten, Absturz des Computers oder Entzug
von Befriedigungsmöglichkeiten auftreten. Lerntheoretisch werden
derartige Reaktionen als positive oder negative Verstärker
bezeichnet. 10)
Ein interessanter Effekt ist zu beobachten wenn duch negative
oder positive konditionierung ein Aberglaube duch den Umgang mit
Computern entsteht. Werden Computerbenutzer durch eine zufällige
Häufung positiver oder negativer Verstärker in ihrer Arbeit
beeinflußt, passen sie Ihre Arbeitsweise daran an. Da man bei
dem Computer als Rechenknecht davon ausgeht, daß er
deterministisch handelt, können Sanktionen, die der Computer
durch nichtdeterministisches Verhalten verursacht, zu
wunderlichen Verhaltensmustern führen. Ein unbeteiligter
Beobachter kann genau erkennen, daß das Verhalten des Anwenders
Naturwissenschaftlich nicht mit dem Effekt zusammenhängt, der
Konditionierte Anwender, wird jedoch weiter positiv sanktioniert,
wenn er sich so verhält, wie der Computer es zu wünschen
scheint.
Beispiel: Fast jeden Montag Vormittag stürzt das Textverarbeitungsprogramm ab und die bereits angefangenen Briefe sind im Nirwana verschollen. Die so, negativ konditionierte, Sekretärin merkt nun, daß wenn sie den Computer erst am Nachmittag einschaltet, der Computer wesentlich weniger Fehler zu produzieren scheint. Ihrer Aushilfe, die sie einlernt erkärt sie den Computer folgendermaßen: " Paß auf, am Montag Vormittag darf man den Computer noch nicht einschalten, da funktioniert die Textverarbeitung nicht. Muß trotzdem ein Brief geschrieben werden funktioniert dies am Besten mit dem bunten Mousepad."
Durch die vom Computer aufgestellten Normen und Sanktionen kann man vielleicht auch das Verhalten sogenannter Compterexperten verstehen. Im Grunde wissen sie, das sich solch ein komplexes Computersystem nich immer dterministisch verhalten kann. Um die beste Methode heruszufinden wie man ein Computersystem bedient muß man sich also duch das Computersystem selbst konditionieren lassen. Diese erlernten (unterbewußten) Verhaltensregeln kann man nicht in einem Handbuch nachschlagen (deshalb macht es wohl auch kaum jemand). Das handbuch eines computersystems ist, wenn man es auf die Gesellschaft überträgt, wie ein gestzestext zu lesen, der beschreibt, wie sich ein mensch in der bevölkerung normalerweise zu verhalten hat. Das Gesetz sagt natürlich nichts darüber aus, wie sich ein "Untersystem" (Mensch) tatsächlich innerhalb der vorgegebenen Grenzen im Gesamtsystem (Gesellschaft) bewegt.
© Matthias Marzinko 1997