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Wandel in der Chaosforschung

Seit dem verstärkten Einsatz von Computern in den 60er-Jahren wurden nichtlineare Differentialgleichungen numerisch-approximativ gelöst, deren Lösungen (bisher) analytisch unzugänglich waren. Lorenz [Lor63] stellte 1963 erstmalig fest, daß es Gleichungen mit eindeutigen, aber unperiodischen (chaotischen) Lösungen gibt. Das Paradigma der sensitiven Abhängigkeit von Anfangsbedingungen war geboren.

Das Verbreiten dieser Erkenntnis und die Charakterisierung chaotischen Verhaltens stand daraufhin lange Zeit im Zentrum des Interesses der neu entstehenden Gruppe der ,,Chaosforscher``. Eine immer besser werdende numerische Behandelbarkeit schaffte neue Möglichkeiten in vielen Anwendungsdisziplinen.

Schwierig bleibt bis heute die Ermittlung von kompakten Modellen für wirklich komplizierte Systeme wie das Wetter, die Börse oder die Gehirntätigkeit. Entscheidendes Problem ist dabei die Ermittlung der Dimensionalität der Modelle. Weil man sie nicht kennt, muß man meist mit zeitverzögerten Koordinaten arbeiten, und in diese Methode, die von Grassberger und Procaccia [GP83] entwickelt wurde, wurden von Anfang an zuviele Hoffnungen gesteckt, obwohl Grassberger selbst vor einer voreiligen Anwendung der Methode gewarnt hat. ,,Bei mehr als drei Dimensionen und verrauschten Daten sollte man meiner Methode nicht trauen.`` [Gra94]

Alternative Zugänge zur Behandlung komplexer Systeme scheinen da aussichtsreicher, etwa die Steuerung oder die Ermittlung allgemeiner Prinzipien nichtlinearer Dynamik.

Neuere Ansätze gehen noch weiter weg vom Paradigma des ,,deterministischen Chaos``, indem nichtdeterministische Modelle eingeführt werden [Hüb92]. Damit läßt z.B. sich in der Bewegungsforschung der Widerspruch zwischen freiem Willen und autonomen Bewegungssystem auflösen: Während der Bewegung selbst ist der Ablauf determiniert. Das Modell ist aber so konstruiert, daß am Ruhepunkt die Gleichung keine eindeutige Lösung hat und ein winziger Impuls vom Zentralnervensystem genügt, um die Bewegung neu zu starten.

Schließlich kann man Chaosforschung noch verstehen als einen inhärent interdisziplinären Zugang zu komplexen Systemen. Ein aufregendes Beispiel ist die Untersuchung des weltweiten Computernetzes durch Neurologen mit der Fragestellung, ob sich damit ein neuartiges, gigantisches globales Gehirn bildet, das vielleicht auch zur Behandlung weltweiter Krisen als nutzbringend erweist [MKB94].



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Werner Eberl
Sat Apr 15 13:17:50 MET DST 1995