Die Verbindung von Computer und Sexualität - Möglichkeiten

Seminararbeit aus "Digitaler Kommunikation" von Rainer Gruber 21.1.1996




I. Soziale Hintergründe

1. Entwicklung

Vor 3,6 Millionen Jahren lebte in der Savanne Äthiopiens eine frühe Hominidin, die als erstes Säugetier der Welt keinen Östrus besaß. Ihr Geschlechtsverlangen war an keine biochemische Uhr gekettet, weder an Brunft noch an Eisprung. Sie war, wie die New Yorker Antropologin Helen Fisher sagt, "ständig bereit zum Sex". Wissenschaftler sind der Meinung, daß diese Gabe der Nachkommenssicherung diente. Diese Urfrau brauchte einen Partner, der ihr währen der Aufzucht von Nachwuchs zur Seite stand, sie beschützte, und Nahrung (vorwiegend Beeren und Nüsse) sammelte. Der Geschlechtstrieb des Mannes brachte ihn dazu, für die Frau zu sorgen, er erhielt dafür sexuelle Befriedigung. Die Urmenschen gaben sich vollständig ihren Trieben und Instinkten hin, ohne das Gefühl von Scham oder Keuschheit zu kennen. Die Beziehungen dauerten deshalb nicht länger als die Frau einen Partner für die Aufzucht brauchte, und sie waren durchsät mit Seitensprüngen. Treue kannten diese Wesen noch nicht. Später verliert das Tier "Mensch" langsam seine Triebhaftigkeit. Es beginnt mit der Seßhaftwerdung und lebt in Rudeln. Vor 10000 Jahren entwickeln sich primitive Kulturen, und die Tendenz geht zur Einehe. Der Geschlechtstrieb verliert seine ursprüngliche Bedeutung, da sich der Vater oder die Gemeinschaft für den Nachwuchs verantwortlich fühlt. Im Mittelalter schließlich betätigt sich die Kirche als Sittenrichter. Rülpsen, Furzen, Schmatzen, Masturbation, Seitensprünge, Mehrfrauenehe und Homosexualität werden gesellschaftlich geächtet und von Gott bestraft. Sexualität und Intimität hat, wenn überhaupt, nur im Dunkeln, zu Hause, nur mit dem einen Partner, erst nach der kirchlichen Trauung und nach Martin Luther nur 2 mal in der Woche zu erfolgen, der einzige Zweck ist für viele Kinder zu sorgen. Spaß dabei zu haben, widerspricht der sittlichen Moralvorstellung des nach außen hin keusch lebenden Klerus.

2. heutige Folgen

Sigmund Freud sagt: "Der Mensch ist ein seine Gewohnheiten verdrängendes Tier". Vereinsamung, Ängste und ins Somatische implodierende Seelenleiden bescheren den Psychotherapeuten eine enorme Kundschaft. 25 Prozent aller deutschen Großstädter sind nach Angaben des Bonner "Forschungsgutachtens zu Fragen eines Psychotherapeutengesetzes" neurotisch und beziehungsgestört. Während die Medien wie gewaltige Illusionsmaschinen unentwegt Bilder des Glücks und der Sinnestrunkenheit auswerfenm, steigt in der Bevölkerung der Frust. "Die sexuelle Aktivität", sagt der Frankfurter Sexualforscher Volkmar Sigusch, "ist nur scheinbar." Heute vermeide der Mensch alles, was an ein ungehemmtes Triebleben erinnert: "Spontaneität, Regellosigkeit, Zügellosigkeit, Hingabe und Ekstase".
"Nur jedes zehnte Paar ist wirklich glücklich im Bett", rechnete jüngst die Gesellschaft für Rationelle Psychologie in München vor. Auch der Hamburger Soziologe Werner Habermehl zieht in einer Studie über das "Sexualverhalten der Deutschen" negative Bilanz: "Die sexuelle Zufriedenheit nimmt ab. Der Publizist Ernest Bornemann bescheinigt in seinem letzten Buch vor seinem Tod ein "generelles Sterben der Heterosexualität".
Erkennt der biologische Evolutionsprozeß, daß Sexualität nicht mehr für den Fortbestand der Menschheit notwendig ist? Im Zeitalter der Gentechnik, der Befruchtung im Reagenzglas wird es nicht mehr lange dauern, bis wir unsere Nachkommen frei nach unseren Wünschen gestalten und klonen können.

3. eindeutiger Trend

Ein neues Spaß-Ideal durchweht die Kultur: Autoerotik. Michael Jackson nestelt während seiner Auftritte ständig an seinem Hosenschlitz, und Madonna geizt in ihren Konzerten auch nicht mit eindeutigen Handbewegungen. Selbststimulation wird salonfähig, wie die "Fake Orgasm Show" in der Münchner Discothek Babalu beweist. Hinter Vorhängen stöhnen die Kandidaten was das Zeug hält, der mit den realistischsten Trieblauten erhält den meisten Applaus. Nach einer Umfrage im Jahr 1993 geben 90% aller befragten Männer zu, sich selbst zu befriedigen. Gründe dafür gibt es genug. Ohne Hemmungen und ohne Schranken kann jeder seine Wünsche und Sehnsüchte ausleben, und erspart es sich, dem Partner dies zu erklären. Von der anderen Seite gesehen, braucht man sich nicht erst auf die vielleicht recht ausgefallenen Vorstellungen des Partners einzustellen. Singles werden die anstrengende Partnersuche, sowie das oft peinliche Frühstück danach nicht vermissen. Masturbation geschieht heimlich, keiner merkt etwas, im Gegenteil zur Auslebung dieses Verlangens bei Prostituierten. Schließlich sorgt der unterschiedliche Bedarf zwischen zwei Partnern dafür, daß sich einer bisweilen selbst genüge sein kann. Der Berliner Soziologe Alexander Schuller prägte dazu das passende Wort von der "Onanisierung der Gesellschaft". Der entschlossendste Vorstoß hin zur folglich autistischen und partnerlosen Erotik wird derzeit in den USA angebahnt. Unter Hochdruck versuchen die Computerspezialisten, alle bisher bekannten Arten von Sexualität mit dem Computer zu ergänzen, zu erweitern oder ganz zu simulieren. Berichte und Reportagen hierzu - zur Zeit bringt jedes mehr oder weniger niveauvolle Magazin dieses Thema - erwecken meist oberflächlich einen objektiven und wissenschaftlichen Eindruck, ja sogar ein Blatt wie "DER SPIEGEL" bezeugt Computersex nicht einmal das "Schmuddelimage", das solchen Selbstbefriedigungshilfen sonst wie Pech anhaftet. Cybersex wird langsam gesellschaftlich akzeptabel. Die Fangemeinde dieser Art der Befriedigung besitzt sogar eine eigene Kultzeitung in den USA. "Future Sex" wird von Lisa Palac, einer 31-jährigen ehemaligen Anti-Porno-Aktivistin herausgegeben und bringt eine bizarre Mischung aus ambitionierter Porno-Fotografie, Interviews mit Cyber-Erotikern und Warentests für digitale Masturbationshilfen. Mit der monatlichen Ausgabe erreicht sie gut und gerne eine Auflage von 50.000. Auch Hollywoods Filmemacher haben die Aktualität des Themas entdeckt. In Filme wie "Lisa", "Demolition Man", "Rasenmäher Mann", "Vernetzt", "Das Netz" und "Enthüllungen" bauen sie mehr oder weniger authentisch ihre Vorstellung vom Sex der Zukunft ein.

Bild 1 - Ausgabe des Magazins "Future Sex"


II. Vergangenheit

1. Homecomputer

Der Bereich Homecomputer erschließt sich kurz nach der größeren Verbreitung in Privathaushalten dem Sexmarkt. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist hier, die Möglichkeit, Daten auszutauschen. Diese Szene lebt davon, die "heißen Bits und Bytes" ohne Schwierigkeiten zu tauschen oder zu kopieren. Am Rande einer Grauzone der Legalität geht hier nur wenig den offiziellen Weg über die Ladentheke, vieles wird unter der Hand besorgt.
Als sich der Commodore C64 durchsetzt, eine billige, flexible und einfach programmierbare Spielkonsole mit mittleren Grafikeigenschaften, lassen die ersten "Strip-poker" Spiele nicht lange auf sich warten. Mit nur 16 Farben oder 4 Graustufen und einer maximalen Auflösung von 320 x 200 Bildpunkten reicht es gerade, um Mädchen auf den Bildschirm zu zeichnen, die sich nach jeder verlorenen Spielpartie eines Kleidungsstücks entledigen. Digitalisierte Bilder sind nahe an der Erkennungsgrenze, so daß hier kaum Pornografie dargestellt werden kann. Als Speichermedium dient erst umständlich die Kassette, später die Diskette, beide warten jedoch mit mäßiger Speicherdichte auf.
Schonkurz darauf verdrängt der Commodore Amiga und der Atari ST den C64 mit einer wesentlich verbesserten Multimedia-Fähigkeit. So konnte die Farbtiefe bei mittlerer Auflösung (320x480 Bildpunkte) auf 12 bit gesteigert werden. Entsprechend realistisch wirken mit über 4000 möglichen Farben dargestellte Fotos. Teilweise reichen die Programmierkünste schon aus, um kleine Animationen auf den Bildschirm zu zaubern, und mit Stereo-Sound zu untermalen. Diese Rechner wurden als Grafik-/Soundcomputer für den Heimbereich entwickelt, und bei gutem Preis-/Leistungsverhältnis dementsprechend oft verkauft. Die jedoch geringe Rechengeschwindigkeit und der langsamen Grafikadapter verhinderten eine über Standbilder hinausgehende Darstellung, wie Video. Als Speicher setzt sich die verkleinerte Diskette mit gesteigerter Kapazität durch. Sie faßt 880 kByte an Daten, das entspricht etwa 8 Farbbildern in guter Qualität. Diverse Sammlungen mit erotischen bis pornografischen Inhalten sind als Shareware gegen einen Alternachweis überall erhältlich. Der Preis liegt hier bei ca. 4 DM je Datenträger. Langsam erscheinen auch Festplatten, sie sind jedoch teuer und anfällig. Auch die Datenfernübertragung wird entdeckt, die hier interessante Nutzung erreicht aber nur geringe Ausmaße.

2. Personal Computer

Der Personalcomputer als IBM-Kompatibler setzt sich erst spät im Heimbereich durch. Zu viele unterschiedliche Entwicklungen im Grafikbereich bremsen hier, da die dargestellte Sexualität primär nur aus Bildmaterial besteht. Erst mit Einzug des EGA- sowie des VGA-Standards setzt die Darstellung/Verbreitung von pornographischem Material ein, das jedoch noch auf größeren, unhandlicheren Disketten mit niedrigerer Kapazität gespeichert wird, als bei Amiga/Atari. Für Aufschwung bei portablen Daten sorgt die Einführung der nur lesbaren Compact-Disc, öfter beschreibbare Wechselfestplatten und hochkapazitive Disketten setzen sich aufgrund der vielen verschiedenen und zueinander nicht kompatiblen Modelle nicht durch. Ein Durchbruch gelang Mike Saenz mit seiner ersten und zweiten Version des Computerspiels "Virtual Valerie". Die gleichnamige CD-ROM führt den neugierigen Besucher in Valeries Appartement. Wenn er seiner rotblonden Gasgeberin komplimentheischende Fragen ("Gefallen Dir meine Beine?") nur ergeben genug beantwortet, bittet ihn die inzwischen entkleidete ins Schlafgemach. Dort warten diverse Gegenstände darauf, cursorgeleitet in Valeries Körperinnere einzudringen - computergrafisch beeindruckend, inhaltlich ein eher schlichtes Vergnügen.

Bild 2 - Bildschirmfoto "Virtual Valerie"

3. Bildschirmtext

Seit Beginn des Datendienstes Bildschirmtext bieten Firmen wie Atlantis oder Eden die Möglichkeit, sich mit luststeigernder Ware zu versorgen. Bei einer Qualität vergleichbar mit Amiga/Atari kosten diese Bilder bis zu je 10 DM zusätzlich zu den anfallenden Telefonkosten für die Fernübertragung. Über normale Minutenpreise von 10-20 Pfennig werden "Onlinechatter" abgerechnet, Personen mit gemeinsamen (nicht nur sexuellen) Interessen, die Erfahrungsaustausch suchen.

4. ISDN

Der Weg ins Zeitalter der digitalen "Information-Highways" scheint mit der Einführung des vollkommen digitalen Telefonnetzes "Euro-ISDN" geebnet. Mit verbesserten Komfortmerkmalen und schnellerem Verbindungsaufbau gegenüber herkömmlichen Analog-Leitungen besticht sie somit nicht nur durch die Übertragungsrate von 2x64 kBit/s. Der Preis dafür wird aus unternehmenspolitischen Gründer von der Telekom mit einer monatlichen Grundgebühr von 64.- DM niedrig gehalten, spezielle Rabatte sollen die Entscheidung bei Privatkunden erleichtern. Die Verbindungstarife im ISDN entsprechen den Tarifen für Selbstwählverbindungen im analogen Telefondienst


III. Gegenwart

1.Technische Möglichkeiten im PC/Macintosh-Bereich

Der Kodak-Photo-CD-Standard definiert Bildauflösungen bis zu 2048x3072 Bildpunkten bei einer Farbtiefe von 24 bit (16,7 Mio. Farben). Dies führt je nach verwendeter Grafikausstattung zu fotorealistischen Darstellungen, die überdies noch mit faszinierender Detailtreue und Vergrößerbarkeit aufwarten. Als Speichermedium setzt sich anhand dieser gigantischen Datenmengen die Compact-Disc durch, die als "Nur-Lese-Speicher" mit einer Kapazität von 600 MByte gute Dienste erweist. Somit finden auf einer CD bis zu 900 Bilder in guter Qualität Platz. Komplizierte Komprimierungsalgorithmen entfernen aus Bildern unsichtbare Informationen, und verringern somit den Speicherbedarf um ein vielfaches (1:5...1:20).
Mit erweiterten Multimediafähigkeiten sind heutige PCs in der Lage, Videos darzustellen. Als Standard ist anzusehen, daß ein Video in einem Viertel des sichtbaren Bildschirms in ausreichender Bild- und Tonqualität abgespielt wird. Nur durch Echtzeitkomprimierung erreicht man den immensen Speicherbedarf von Videos in den Griff zu bekommen, 5-10 MByte pro Minute gelten als Richtwert. Echtzeitanimation von berechneten dreidimensionalen Körpern sind noch zu realitätsfremd, da Körper aufgrund begrenzter Rechenleistung aus einfachen Objekten wie Kugeln und Kegeln zusammengesetzt werden. Im Bereich leistungsfähigerer Rechneranlagen gelingt dies jedoch schon ausgezeichnet, wie aktuelle Filme wie Jurassic-Parc eindrucksvoll beweisen.

2. unidirektionale Datenübertragung über Computer-/Telefonnetze

Im Internet und den diversen Onlinediensten gibt es einige Anbieter, die teilweise nur Zugangsberechtigten, Bild- und Videomaterial zur Verfügung stellen. Als Zahlungsmittel sind die in den USA weit verbreiteten Kreditkarten Standard. Die begrenzte und momentan recht knappe Übertragungskapazität machen diese Art der Informationsbeschaffung zu einem langwierigen Unterfangen, zumal diese Anbieter durch die Medienpräsenz des Themas viel genutzt werden, und sich dadurch die Sendeleistung ihrer Computer deutlich verringert. Mailboxen stellen mehr oder weniger legal ebenfalls solche Archive zur Verfügung, über Insiderwissen oder Angabe der Kreditkartennummer kommt man in den Genuß eben dieser.

Bild 3 - Fotomodell Kate Moss - erhältlich über Internet

3. bidirektionale Datenübertragung über Computer-/Telefonnetze

Jüngste Schlagzeilen machen auf eine, nach Meinung der bayerischen Staatsanwaltschaft gesetzwidrige, Möglichkeit aufmerksam, sexuelle Kontakte zu knüpfen, oder sich themenspezifisch auszutauschen. Viele Diskussionforen, ähnlich des Beschriebenen im Kapitel Bildschirmtext, bieten vielen Gleichgesinnten ein internationales, virtuelles Treffen, um textorientiert zu plaudern. Manchmal führen diese Gespräche nicht nur zur digitalen Stimulierung, sonder, zum direkten, elektronisch verfremdeten Tête-à-tête. Immer öfter werden die Romanzen im Rechnernetz real. Unter dem platzsparenden Bildschirmkürzel "F2F" (für "Face-to-Face") lüften die Teilnehmer ihr Inkognito und verabreden sich in der richtigen Welt. Beziehungssteß ist mithin programmiert.
Findige Geschäftemacher haben eine neue Chance entdeckt, sexuell Benachteiligten gegen Cash Freude zu bereiten. In kleinen, aufreizend dekorierten Studios warten Animierdamen auf die Online-Wünsche der Kundschaft, um sich bei ihrem Räkeln und Stöhnen filmen zu lassen. Der Empfänger dieser "Liebesbotschaft" kann via Datennetz in einem kleinen Bildschirmausschnitt live dabei zusehen - eine multimediale Weiterentwicklung der florierenden Telefonsex-Dienste. Um hier einigermaßen akzeptable Resultate zu erzielen, benötigt der Anrufer jedoch eine Telefonleitung mit Ubertragungsleistungen wie bei ISDN oder höher.

4. Virtual Reality

Weitaus realistischer präsentieren sich die ersten Ergebnisse der Forschung und Anwendung im Virtual Reality-Bereich. Die 3-dimensionale Simulation auf Bild-Videoebene erreicht auf speziellen Grafikrechnern ( --> Silicon Graphics) erstaunliche Fähigkeiten. So werden bereits seit einiger Zeit LKW-Fahrschüler, Piloten und angehende Schiffskapitäne vereinzelt auf Simulatoren ausgebildet. Interviews belegen, daß sich der stets belächelte Computer schnell in so gut imitierte Wirklichkeit verwandelt, daß unvorhergesehene Ereignisse die Auszubildenden in gewaltige Streßsituationen versetzt, die nicht selten in Panik enden. Im Bosnien Einsatz der NATO erzeugten Bilder aus Aufklärungsflügen und von Satelliten ein virtuelles Sarajewo mit Umgebung, um die Piloten im Simulator optimal auf ihre Mission vorzubereiten. Architekten schließlich lassen ihre Pläne in aufwendige virtuelle Gebäude umrechnen, um den potentionellen Kunden bei einem gemütlichen Rundgang darin die Vorteile ihrer Konstruktion zu erläutern.
Noch in den Kinderschuhen steckt die Virtual Reality als multimediale Simulation. Um ein echt wirkendes Abbild der Realität zu erschaffen, muß es gelingen, die 5 Sinneswahrnehmungen des Menschen gleichermaßen hochqualitativ zu bedienen, wie das in der Natur der Fall ist. Im visuellen Bereich (sehen) befindet man sich mit modernen Grafikrechnern schon ziemlich nahe an der Wirklichkeit, jedoch braucht man für 3-dimensionales Sehen zwei gegeneinander leicht versetzte Bilder, die jedem Auge getrennt zugeführt werden müssen. Momentan gebräuchliche stereoskopische 3-D-Brillen sind aber noch schwer, unhandlich und schränken eine völlig freie Kopfbewegung ein.
Im auditiven Bereich (hören) hat man mit heute gebräuchlichen PC´s schon die Unterscheidungsgrenze zur Natur erreicht. Superleichte Kopfhörer sind mit akzeptablen Klangeigenschaften bei tragbaren Kassettengeräten Standard und kosten unter 20 DM.
Die taktile Sinneswahrnehmung (Berührung, Temperatur) wird heute in der Forschung nur sehr spärlich bedient. Über stumpfe, gegen die Haut vibrierende Nadeln, kleinen, mit schwachen elektrischen Impulsen versehenen Elektroden, Peltier-Elementen, die Wärme und Kälte erzeugen können und feine Gebläse, geht die Entwicklung noch nicht hinaus. Als Student an der Kunsthochschule Köln beschreibt Kirk A. Woolford in "Tactile Dialogue" Versuche, wo Personen einen Gürtel mit Ventilatoren tragen. Ihre Augen sind verbunden, sie kommunizieren miteinander über Funk, und der Computer steuert die Gebläse so an, daß ein Luftstrom aus einer Richtung eine virtuell dort befindliche Person kennzeichnet. Über die Stärke des Windes läßt sich auf die Entfernung scließen. Man kann sich somit frei bewegen, und spürt immer die jeweilige Position der Partner.

Bild 4 - Kirk A. Woolford´s Versuch zur taktilen Wahrnehmung

Gustatorische (schmecken) und olfaktorische (riechen) Eindrücke gesteuert zu vermitteln gelingt heute noch nicht in der Praxis. Dies wäre ein entscheidender Schritt in Richtung realistischere Abbildung der Wirklichkeit, man denke nur an TV-Werbung für ein Pafüm, das frisch aus dem Fernseher Wohlgeruch verbreitet.
Stale Stenslie und Kirk A. Woolford, beide Studenten an der Kunsthochschule Köln starteten ein Projekt, bei dem man im Cybersuit, einem von Vibratoren, Elektroden und Sensoren - überwiegend an erotisch sensiblen Stellen - vollgepackten Anzug Berührungen an einen Computer sendet und gesendet bekommt. Dies ermöglicht Parntern, über lange Strecken via Telefonleitung, sich imtim miteinander auszutauschen. Die Meinungen bei den Probanden gehen auseinander, hängt dies doch wesentlich von den Erwartungen von diesem System ab. Überdies verhindert grelles Neonlicht, einige Zuschauer und der Auftrag eines Magazins oder Fernsehsenders eine romantisch-erotische Atmosphere. Sybille Berg, eine Reporterin des Magazins "PRINZ" ist enttäuscht, als sie bei Cybersex mit dem Entwickler Stale Stenslie absolut nichts erotisches empfindet, und auch die TV-Reporterin Michaela Papke des Magazins "Die Redaktion" auf dem Privatsender RTL2 berichtet beim Test mit einer ihr unbekannten Person von spärlicher Erregung. Ein festes Paar, das sich in der gleichen Sendung dazu bekennt, regelmäßig diese Art des Intimwerdens zu nutzen, berichtet davon, daß Sexuelle Erregung durchaus möglich ist, wenn man sich nur genau auf diese Maschine und den Partner einstellt.


Bild 5 bis 8 - Eine Testperson im Cybersuit von Stale Stenslie und Kirk A. Woolford


IV. Zukunft

Vergangene Zukunftsvisionen lehren uns, daß die Forschung es immer wieder geschafft hat, scheinbar unüberwindliche Probleme zu lösen, so können wir uns auch hier sicher sein, das Virtual Reality und Cybersex mit der Zeit den kalten, maschinellen, computerhaften Eindruck überwinden werden. Sie können uns helfen, mit Problemen wie der physikalischen Distanz von Partnern besser fertigzuwerden, erschließen aber auch neue Möglichkeiten der Sexualität. Denkbar wäre es, das sexuelle Verhaltensmuster von Pornostars digital zu speichern, und dann dem Anwender zu verkaufen, der dann Sex mit der Person quasi-live erlebt. Alternativ könnte man beispielsweise Marylin Monroe virtuell auferstehen lassen, um sie in scheinbare Realitäten einzubinden. Bei Filmen könnten digitale Kopien der Filmstars als "Bonus" enthalten sein, um sich nach dem Film den entstandenen Eindruck persönlich bestätigen zu lassen. Eine ausreichende, leistungsfähige Kommunikationsstruktur der "Data Highways" erscheint momentan als Schwachpunkt und sollte das nächste Ziel bei der Errichtung einer digitaler Mediengesellschaft sein.
Mit dem Einsatz von Phantomatik, einer technischen Abkopplung von Nervenbahnen des Gehirns vom Körper, erschließen sich völlig umfangreichere Möglichkeiten von künstlicher Wirklichkeit. Erst hier wird es unmöglich sein, den Unterschied zwischen Realität so verwischen zu lassen, daß es dem Einzelnen nicht mehr gelingt, zu differenzieren. Dies wird jedoch erst in 50-70 Jahren, mit der genauen Erforschung des Gehirns und dem weiteren Fortschritt der Computertechnologie praktikabel.


V. persönliches Statement

Es gestaltet sich sehr schwierig, zu diesem Thema an sachliche, objektive und kommerziell unabhängige Information zu gelangen.Deshalb möchte ich mich hier für die freundliche und kostenlose Unterstützung bei den Redaktionen der Magazine "DER SPIEGEL", "Stern", "Focus", "Playboy" und "Prinz" bedanken. Besonderer Dank gilt der Mediengesellschaft elf-99, die uns mit einer kostenlosen Kopie eines Beitrags der Sendung "Die Redaktion" beim Privatsender RTL2 bei dieser Arbeit unterstützte.
Bei Computer-Sex scheiden sich die Geister. Die einen wollen damit Geld verdienen, und preisen jede neue Entwicklung in den höchsten Tönen, die anderen (eher konservativ eingestellt) verwehren sich gegen jegliche Neuerung und sind nicht flexibel genug umzudenken. Man sollte jedoch eines bedenken: Die Gefahr besteht, daß durch Mißbrauch erheblicher persönlicher Schaden sowohl nach außen in Form von Veröffentlichung von privaten Vorlieben, als auch nach innen in Form von Depressionen und Wahnvorstellungen entstehen kann, wenn die übermittelten Daten in falsche Hände gelangen. Die Gefahr des Verfallens der Technik stellt einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Aspekt dar, hat man doch die Möglichkeit, bei Problemen in der Realität, in eine imaginäre, viel unkompliziertere Welt abzutauchen. Man versteckt sich und verliert allmählich die Fähigkeit und den Willen, Probleme zu lösen, und wird süchtig nach einer heilen, unwirklichen Welt.
Computer-Sex kann in zukünftigem Bewußtsein ganz normal sein, wie uns die Vergangenheit lehrt. So behaupteten Gelehrte vor der Erfindung der Eisenbahn, daß Geschwindigkeiten schneller als ein Pferd die Menschen in den Wahnsinn treibt. Ebenso unvorstellbar war es vor einigen Jahren, Homosexualität als ganz normal anzusehen. Hier ist schon einiges an Umdenken geleistet worden, vorangetrieben nicht zuletzt durch die vielen bekennenden Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, wie Freddy Mercury oder Martina Nawratilova.


VI. Literaturhinweis

"DER SPIEGEL", Ausgabe: 46 / 15.11.1993, Titel: "Cybersex", Artikel: "Sex mit Marylin", Verfasser unbekannt, Seiten 222ff
"PLAYBOY", Ausgabe: 11/91, Titel unbekannt, Artikel: "Irrer Trip in eine andere Welt...", Verfasser: Ossi Urchs, Seiten 193 ff
"STERN", Ausgabe: 20 / 5.4.1994, Titel: "Die digitale Lust - Sexmaschine Computer", Artikel: "SEX Maschine Computer", Verfasser: Fred Grimm, Seiten 48ff
"PRINZ", Ausgabe: Mai 94, Titel: "Orgasmus und Computer", Artikel: "Orgasmus und Computer", Verfasser: Sybille Berg, Seiten 33ff
"LUXURIA - The ultimate sex-situation", Ausgabe: 2, incl. CD-ROM
"Tactile Dialogue", Verfasser: Kirk A. Woolford, Kunsthochschule Köln




Rainer Gruber
Fachhochschule München
Studiengang Elektrotechnik