Dieses Thema wird von Sterrer Roland behandelt:
Die Chaostheorie stellt einen Paradigmenwechsel in der Wissenschaft dar ( letzter Paradigmenwechsel in der Renaisance, Aufklärung):
In der klassische Physik ist man bemüht über alle Zeit Ablauf und Bewegungen vorherzuberechnen ( " Berechnen der Zukunft"). Der Zufall gründet aus klassischer Sicht in der Unwissenheit der Menschen ( mechanisches Weltbild). Die Chaostheorie geht nun davon aus, daß dynamische Systeme sowohl Berechenbarkeit als auch Zufallsprozesse enthalten (Zufall = fundamentale Unbestimmtheit ).
Lange schätzte man komplexe Systeme falsch ein, Komplexität, so meinte man, sei nur eine undurchschaubare Überlagerung von vielen, für sich jeweils einfachen Prozessen. Es sei also daher nur aus pragmatischen Gründen nicht möglich das Verhalten von komplexen Systemen zu verstehen. Nun entkräften die folgenden Versuche diese irrige Hypothese. Außerdem sind diesse beiden Versuche geradezu prädestiniert die wichtigsten Eigenschaften des Chaos aufzuzeigen, und Ordnungen und Strukturen in nichtlinearen Systemen zu finden ( Ziel der Chaosforschung ).
Bei schwachem Anstoßen des Doppelpendels ergibt sich eine Schwebung, die sich mit den Methoden der klassischen Physik sehr gut beschreiben läßt. Hingegen bei starken Auslenkungen bzw. Störungen gelten diese Näherungen nicht mehr, die Bewegung erscheint kompliziert, sie sieht chaotisch aus. Es kommt zu einer diffizielen Wechselwirkung zwischen Schwingung und Rotation. Ähnlich wie beim einfachen Pendel läßt sich das System durch Differentialgleichungen (DGL) beschreiben, jedoch müßten zur vollständigen Beschreibung ein Satz von 10 EXP 23 Bewegungsgleichungen (für jedes Atom) aufgestellt werden. Beim Anstoßen werden tatsächlich viele Freiheitsgrade angeregt, die sehr schnell weggedämpft werden. Dabei kann man auch einen Begriff der Synergetik ( begründet durch Hermann Haken) verwenden: es kristallisieren sich nach wenigen Sekunden einige Schwingungsmoden heraus, versklaven die restlichen ( Versklavungsprinzip ). Beim einfachen Pendel genügt eine DGL zur Vollständigen Beschreibung.
FAZIT: Obwohl diese nichtlinearen Systeme mathematisch beschreibbar sind kommt es zu Chaos. Man nennt diese Art von Chaos daher deterministisches Chaos.
Man läßt das Pendel nun bei verschiedenen Anfangsbedingungen los und beobachtet das Schwingverhalten. Kurzfristige Aussagen über das Schwingverhalten sind noch möglich, jedoch mittelfristige Aussagen, etwa ob der fünfzehnte Überschlag des zweiten Pendels links- bzw. rechtsherum sein wird ist nicht mö:glich. Eine Langzeitvorhersage ist in diesem Fall trivial, denn auf Grund von Reibung stellt sich eine stabile Ruhelage ein. Das Pendel reagiert also sehr stark auf kleinste Fehler beim Loslassen bzw. auf kleinste Störungen. Somit ist die erste wichtige Eigenschaft von chaotischen Bewegungen die hohe Sensitivität auf Anfangsbedingungen und Störungen.
Eine an einen Faden gehä:ngte Stahlkugel pendelt über drei Magneten. Auch in diesem Fall ist das System deterministisch, die Bewegung der Kugel ist durch Gravitations- und magnetische Kräfte eindeutig bestimmt,das System ist ebenfalls deterministisch, die Zusammenhänge kausal. Trotzdem ist die Ruhelage des Pendels nicht vorhersagbar, denn auch sie ist sehr stark von Anfangsbedingungen abhängig. Das Pendel kommt scheinbar zufällig mal bei dem einen mal bei dem anderen Magneten zum Stillstand.
Maßgeblich dafür welche Ruhelage sich beim Pendel einstellt, ist die Wahl der Startbedingungen. Deshalb ist es naheliegend die Startbedingungen systematisch zu untersuchen. Das bedeutet, daß man versucht möglichst viele Anfangsbedingungen zu schaffen und jeweils abwartet welcher Endzustand sich einstellt. Durch Kennzeichnung des Startpunktes mit der Farbe des Zielmagneten erkennt man sehr deutlich eine fraktale Struktur. Mittels der fraktalen Struktur hat man nun das erste quantitative Beschreibungsmerkmal von chaotischen Systemen ( Visualisierung).
Eine weiter Beschreibungsmöglichkeit bietet der Liapunov- Exponent. Eine markante Eigenschaft der erwähnten Experimente ist das auseinanderlaufen anfangs benachbarter Bahnen. Auch die Bäcker- Transformation veranschaulicht dies sehr schön. Der Liapunov- Exponent charakterisiert nun das Verhalten benachbarter Bahnen. Der Liapunov- Exponent stellt somit einnen Indikator zwischen Ordnung und Chaos dar.
Letztlich kann man sich die Frage stellen, wann überhaupt Chaos entsteht, welche Voraussetzungen müßen erfüllt sein? Zur Beantwortung dieser Fragen verwendet man häufig den Begriff der Freiheitsgrade:
Das einfachste System ist eindimensional und hat eine Ortsvariable und eine Geschwindigkeitsvariable. Bei Vernachläßigung der Reibungsverluste gilt der Energieerhaltungssatz, somit hat man nur einen effektiven Freiheitsgrad.
z. Bsp. beim Doppelpendel:
2 Orts- + 2 Geschwindigkeitsvariablen minus einen Energieerhaltungssatz = 3
Das Doppelpendel hat somit 3 effektive Freiheitsgrade. Damit kann das Auftauchen von Chaos in 3 Gruupen unterteilt werden (nach A. Pflug):
Anzahl eff. Freiheitsgrade:
Bei den oben erwähnten Versuchen kann man nicht sagen, daß ähnliche Startbedingungen sich auch ähnlich verhalten. Ähnliche Ursachen haben hier also nicht ähnliche Wirkungen. In den Naturgesetzen der klassischen Physik steckt die Vorstellung von kausalen Zusammenhä,ngen. Es muß jedoch unterschieden werden zwischen:
Schwacher Kausalität: Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkung
Starker Kausalität: Ä,hnliche Ursachen haben Ähnliche Wirkungen
Aufgrund ständig vorhandener Unsicherheiten bei der Bestimmung der Anfangsbedingungen (der Ursache) kann ein Naturgesetz nur dann sinnvoll angewendet werden, solande die starke Kausalität gilt. Das bedeutet, daß ein physikalisches Experiment innerhalb enger Schwankungsbreiten reproduzierbar sein muß. Bei chaotischen Prozessen, wie dem Doppelpendel, gilt dies nur für kurze Zeit.
Aus den Experimenten lassen sich grundsätzliche Voraussetzungen und Eigenschaften von Chaos erkennen:
Auch lassen sich nü:tzliche Methoden zur Erkennung von Ordnung und Strukturen erkennen: