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Arbeitspapier für die Gesprächsrunde von Prof. Dr. rer. nat. Bodo Volkmann

Thesen

1) Das deutsche Gesundheitswesen leidet darunter, daß allzu viele das häufige Kranksein als eine Art Lebensroutine oder sozialer Errungenschaft betrachten. Daher ist verstärkt öffentlich und pädagogisch darauf hinzuwirken, daß die Gesundheit als erstrebenswertes Ziel mit hohem Prestigewert verstanden wird. Starke psychologische, ethische, soziale und finanzielle Anreize zum Gesundsein sollten vermittelt werden.

2) Jeder Arzt sollte schon in seinem Studium vermehrt darauf vorbereitet werden, vor der eigentlichen Diagnose den Patienten als Gesamtpersönlichkeit in seiner Lebenssituation zu betrachten. Da der heutige Mensch oftmals isoliert ist und sich kaum in einer Gemeinschaft mit sinngebendem Wertebewußtsein geborgen weiß, wird der Arzt im einundzwanzigsten Jahrhundert mehr als bisher auch als Orientierungshelfer und Bezugsperson gefordert sein. Entsprechende Organisationsformen in Krankenhaus und Praxis (Lebensdiagnose vor Spezialdiagnose?) sollten erwogen werden.

3) Die Aufsplitterung des Fachwissens in immer mehr Einzeldiziplinen scheint unaufhaltsam und für erfolgreiche Forschung auch notwendig zu sein. Ihr ist durch vermehrte themenbezogene Zusammenarbeit zwischen Vertretern verschiedener Wissenschaften entgegenzuwirken. Vor allem muß in jedem Jahrzehnt neu um die Antworten auf die aktuellen Probleme der Menschheit gerungen werden, die sich aus zeitlosen Einsichten über Herkunft, Sinn und Ziel des menschlichen Lebens ergeben. In einer solchen Interaktion zwischen den einzelnen Disziplinen muß jede Fachwissenschaft ihren eigenen Beitrag für die Gesamtkultur der Menschheit neu erkennen und verwirklichen.

4) Das Überleben der Menschheit im einundzwanzigsten Jahrhundert ist u. a. bedroht durch die Übervölkerung einzelner Regionen bei gleichzeitigem starkem Bevölkerungsrückgang in Mitteleuropa. Sollte der derzeitige extreme Unterschied in den Geburtenraten erhalten bleiben, so ist bereits in den 00-Jahren (dem kommenden Jahrzehnt) mit größerern katastrophalen Folgen für das Überleben von Gesellschaften in beiden Bereichen zu rechnen. In Deutschland muß mit der naiven Wunschvorstellung aufgeräumt werden, daß das bisherige soziale und kulturelle Systen weiterbestehen könnte, wenn die leerstehenden Häuser und Straßenzüge durch beliebige Zuwandererströme besiedelt werden. Notwendig ist:

a) Beendigung des Wachstums der Erdbevölkerung bei gleichzeitiger Überwindung der Diskrepanz zwischen Übervölkerungs-Effekt im Süden und Aussterbe-Effekt im Norden;

b) Erhaltung der Völker und der Familien zur Vermeidung von Entwurzelung, Chaos in den Ballungsgebieten und sozialem Elend;

c) Hilfe für den einzelnen Menschen zu einer stabilen, sinnbewußten Entwicklung, die ihn vor dem Abgleiten in Kriminalität, Drogenabhängigkeit, gewalttätigen politischen oder religiösen Radikalismus und andere Formen der Sozialschädlichkeit bewahrt.

5) Voraussetzung für die Verwirklichung des Gesagten ist, daß die Führungskräfte in Wissenschaft, Bildungswesen, Kirchen und Medien ein neues Denken praktizieren. Dazu gehört auch die Bereitschaft zu Leistung und Verzicht aus globaler Verantwortung. Notwendig ist eine Haltung, wie der christliche Glaube sie zwar bekennt, aber doch in vielen seiner Vertreter vermissen läßt: selbstloser Einsatz aus Nächstenliebe aufgrund der von Gott empfangenen Geborgenheit und Sinngebung für das eigene Leben. Ohne eine starke persönliche Motivation für den einzelnen Beteiligten wird das erforderliche Umdenken nicht zustandekommen.



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Wed Sep 21 08:46:15 CDT 1994