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Arbeitspapier für die Gesprächsrunde von Prof. Dr.med. Traute Schroeder-Kurth

Es ist nicht so sehr die ,,Gentechnologie``, die als ein Methodenspektrum in die Medizin und damit in die Theoriebildung für Krankheiten eingedrungen ist, sondern es sind die Probleme im zwischenmenschlichen Bereich, zwischen Arzt und Patient, zwischen Patient und Arzt, die sich mit der Verwendung von neuen Techniken und der Bedeutung der Ergebnisse für den einzelnen Menschen aus dieser Anwendung ergeben.

Ich habe an der Arbeitsgruppe des BMFT ,,Analyse des menschlichen Genoms, ethische und soziale Aspekte`` mitgearbeitet und die Empfehlungen des Ministeriums aufgegriffen, um zusammen mit einer Philosophin, Frau Jeantine E. Lunshof ein Dreijahresprojekt in unserem Institut durchzuführen. Sie finden in der Anlage eine Kopie der Information über den Beginn dieser Studie aus der Zeitschrift des Berufsverbandes Medizinische Genetik, 1993.

Wir sind der Auffassung, daß die Entwicklung von Technik und Technikfolgen im Bereich der angewandten Humangenetik = ,,Medizinische Genetik`` nur erfaßt werden kann, wenn auch die sozialen und ethischen Auswirkungen auf diejenigen, die unsere Ratsuchenden und Patienten sind, mit berücksichtigt werden, um dann auch die Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem und die Politik beschreiben zu können. Dieses Projekt ist mit dem Ziel entworfen worden, die gesellschaftliche und gesundheitspolitische Relevanz der angewandten Humangenetik mit Hilfe der Anwender in genetischer Beratung und humangenetischer Diagnostik zu untersuchen. Das kann man nur unternehmen während diese Methoden angewendet werden, nicht bevor sie eingeführt sind! Insofern sind die sozialen Auswirkungen und evtl. Mentalitätsänderungen aufgrund angepaßter Ethik immer nachhinkende Feststellungen.

Meine eigene Position als genetische Beraterin und Anbieterin von Methoden in Form von Optionen, sehe ich als ,,Prellbock`` zwischen dem Druck der neuen Erkenntnisse meiner Kollegen aus der Forschung auf der einen Seite, und von der anderen Seite dem Druck durch die Anforderungen meiner Patienten. Das wird jedem Arzt in der mittelbaren und unmittelbaren Krankenversorgung ähnlich gehen. Ein Phänomen in all diesen Diskussionen ist immer wieder, daß wir Ärzte mit dem Hinweis auf unsere Verantwortung primär dem einzelnen Patienten gegenüber von allen Vorwürfen ausgenommen werden, daß aber auf dem sozial-ethischen Sektor die Gesamtwirkung aller Einzelerscheinungen zu erheblichen psychosozialen und ethischen Problemen der direkten Beteiligung an unerwünschten Nebenfolgen in einer Gesellschaft führen müssen.

Hierzu lege ich Ihnen eine Zeichnung vor, die unsere Situation als Ärzte im Gespräch mit Patienten erläutert. Der Weg von Beobachten, Lernen, Prüfen, Wissen, Bestätigen, Anwenden, Handeln, Optionen bis zur Interpretation ist der Weg des Patienten, während aus der gleichen Ebene der Beobachtung Wissenschaft erwächst mit Theoriebildung und Erkennen von Naturgesetzen, die in die naturwissenschaftlichen Ergebnisse eingehen, bevor wir sie dem Patienten interpretieren können.

Anmerkungen:

T. Schroeder-Kurth: Die Entwicklung der Technik und Technikfolgen im Bereich der angewandten Humangenetik (Med. Genetik, 2/1993, 237).

E. Buchborn: Der Ärztliche Standard (Dt. Ärzteblatt 90,28/29, B 1446).



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Wed Sep 21 08:46:15 CDT 1994