Arbeitspapier für die Gesprächsrunde von Dr. Rudolf Mann

Neue Denkansätze för die zukünftige Medizin

Ich habe mir die Sache einfach gemacht und unterstellt, daß die Probleme, die ich aus der Sicht der Wirtschaft sehe, analog gelten, weil im Grunde alles eins ist. Deshalb liegt auch mein neuester Aufsatz ,,Unternehmenssanierung aus ganzheitlicher Sicht`` zur Erläuterung bei.

Meine Grundthese: Wir befinden uns weltweit und in allen Disziplinen in einer Führungskrise, die die Orientierungslosigkeit der Geführten als Konsequenz hat, egal wo wir hinschauen:

• in der Politik, wo es um die Führung im gesellschaftspolitischen Evolutionsprozeß geht,
• in der Wirtschaft, als Führung in der beruflichen Entfaltung (Berufung), um unserem Wesen näher zu kommen,
• in den Kirchen, als Führung zur Wiederverbindung (religio), in der Aufhebung der Trennung,
• in der Wissenschaft als Führung im Prozeß der Erkenntnis (!) oder
• in der Medizin, als Führung zur Heilung, d.h. zum Ganz-Werden des Menschen.

Überall ist das gleiche Problem:

• statt Orientierung geben, Vorbild sein und Raum schaffen für die Entwicklung des Geführten pervertieren wir die Führungsaufgabe in:
• Macht und Druck ausüben, Wege vorschreiben (Dogmen), und durch Unterdrückung und Drohung übertünchen wir die eigene Orientierungslosigkeit.

In der Medizin kommt heute noch hinzu, daß man sich einer toten Sprache bedient (dem Latein), offensichtlich um

• Distanz zu schaffen gegenüber den Geführten, Abgrenzung, um nicht durchschaut zu werden und
• vordergründig die Phänomene, die Symptome zu sehen, ohne ihre wirkliche Be-Deutung, weil eine tote Sprache nicht mehr in unserem Inneren sprechen kann (siehe Dethlefsen, Dahlke: Krankheit als Weg).

Hinzu kommt das Dilemma der Wissenschaft, das zwischen Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft trennt und irrtümlicherweise die Geisteswissenschaft speziellen Wissenschaftsbereichen (Philosophie, Theologie etc.) zuordnet, ohne zu begreifen, daß in jeder Wissenschaftssparte empirische Wissenschaft und geistige Wissenschaft zusammengehören, unten und oben, Materie und Geist. Das hängt damit zusammen, daß wir Geist mit Intellekt verwechseln, weil unsere deutsche Sprache nicht unterscheiden kann zwischen ,,mind`` und ,,spirit``, wie es in der englischen Sprache deutlich wird. In dem Maße, in dem sich die Physik von der rein rationalen Beweisbarkeit löst (siehe Lichttheorie), in dem Maße eifern die anderen Wissenschaften blind einem Ideal der Physik nach, alle Dinge beweisen zu wollen. In Wirklichkeit gilt nicht das, was wir beweisen, sondern das, was hilft.

Vor diesem Hintergrund habe ich einige Thesen zusammengetragen aus meinem Aufsatz ,,Unternehmenssanierung aus ganzheitlicher Sicht`` (in: Der Controlling-Berater, 2/93, S. 201-228) in der Hoffnung, daß damit die Diskussion provoziert und belebt wird.

Thesen aus der Sicht der Wirtschaft:

1. Heilung ist Ganz-Werden. Das bedeutet, das zu ergänzen, was bis jetzt zur Ganzheit gefehlt hat. Den anderen Teil. Heute ist jedoch Heilen degeneriert zum Abschaffen dessen, was einen stört. Das ist die Verstärkung in einem Pol, ohne das Gesetz der Polarität zu begreifen.

2. Unternehmen und Menschen sind Organismen, keine Maschinen: einstellbar, steuerbar, berechenbar, reparierbar und determiniert in allen Ebenen ihrer Existenz. Wirtschaft und Medizin behandeln die Geführten wie berechenbare Teilchen einer Maschine.

3. Alles, was geschieht, ist auf zwei Ebenen wahrzunehmen: auf der des äußeren Erscheinens, wenn wir die Oberfläche nur sehen, und auf der des Sinns, der Be-Deutung, wenn wir hinter die Oberfläche schauen. Unsere derzeitigen Heilungssysteme beziehen sich auf Symptome, nicht auf den Hintergrund, den Sinn, die Bedeutung.

4. Geist schafft Materie. Ohne innere geistige Krankheitsbilder kann keine Krankheit entstehen. Ursächliche Heilung kann deshalb nicht erfolgen, bevor man die Ursachenbilder der Krankheit erkennt, das, was uns im Inneren krank macht und die Krise herbeiführt.

5. Sanierungsprozesse brauchen Lebensenergie. Lebensenergie kann nur aus dem Universum fließen, wenn der Mensch in seiner Mitte ist. Der Mensch ist in seiner Mitte, wenn er sich seines inneren, göttlichen Selbst bewußt ist. Angst, Druck, Unterdrückung, Hilflosigkeit, Traurigkeit bringen uns weg von der Mitte.

6. Alles, was in unserem Leben geschieht, geht um uns. Es geht um die Beziehung zu uns selbst, zu unserem Nächsten und zu unserem Umfeld, der Außenwelt, der Natur, dem Kosmos, zu Gott. Wenn wir selber heil werden, haben wir das Beste getan zur Heilung der Erde. Die Außenwelt spiegelt uns nur das wieder, was wir ohne Spiegel nicht sehen können, unseren unbewußten Schatten.

7. Unser altes Bild ist, Widerstände, Krankheiten, Störungen, Krisen, Konflikte und Schwierigkeiten zu beseitigen. In Wirklichkeit sind sie dazu da, unser Leben in die richtige Richtung zu weisen, zu zeigen, was zu überwinden ist, um ganz zu werden. So gesehen sind alle Schmerztabletten Un-Heil.

Ich habe mich auf sieben Thesen beschränkt, weil die Sieben die Zahl der Meisterschaft ist und weil es genügt. Wahrscheinlich haben wir nicht mehr Zeit, es wäre schon toll, wenn wir über die sieben reden könnten.