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Einleitung

Einleitung

Die Medizinische Woche, die jährliche Tagung der Ärztegesellschaft für Erfahrungsheilkunde, hatte für ihre Gesamtveranstaltung im November 1993 ,,Universität und Erfahrungsheilkunde`` als Leitthema gewählt, um dazu beizutragen, die Kluft zwischen der naturwissenschaftlich orientierten ,,Schulmedizin`` und einer auf Erfahrungen basierenden Heilkunde zu überbrücken. In diesem Zusammenhang sind den wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Erfahrungsheilkunde eine Reihe von Vorträgen gewidmet worden. Es war für uns verlockend und vielversprechend, einige der dadurch Anwesenden und weitere hervorragende Fachleute verschiedenster Disziplinen zu einem freien Gespräch zusammenzuführen, in dem fachübergreifend das Thema ,,Auf der Suche nach Wegen aus der Medizinkrise`` behandelt würde. Nachdem dieses Ansinnen sehr positiv aufgenommen worden ist, haben wir den entsprechenden Rahmen geschaffen und Experten verschiedenster Fachrichtungen dazu gebeten, die unserer Bitte nach ihrer Mitwirkung gerne und ohne Zögern nachgekommen sind. Als Motto für die Diskussionsrunde haben wir ein Zitat aus der Schöpfungsgeschichte gewählt: ,,Da ward aus Abend und Morgen der andere Tag ...`` Damit haben wir andeuten wollen, daß sowohl aus Zukunft wie auch Vergangenheit, aus Vision und Geschichte, aus Bewahren und Neugier sich die Gegenwart auch der Medizin, gestaltet. Der Gegensatz, den das Zitat zu dem gewohnten Denken enthält, daß nämlich aus Morgen und Abend der Tag gebildet wird, hat darauf hingewiesen, daß ungewohntes Denken im Gespräch erwünscht gewesen ist. Und außerdem wird darin der Tag als eine Synthese von Polaritäten dargestellt. Solche Polaritäten finden wir in allen Lebensbereichen, wie beispielsweise gesund und krank, wie Kosmos und Chaos, wie Einzigartigkeit und Gleichheit. Polaritäten beinhalten Energie, die sich aus ihrer komplementären Bezogenheit ergibt und die zur Verschmelzung, zur Synthese hin drängt. Wenn wir uns der Auseinandersetzung mit Polaritäten stellen, wenn wir den heutigen Problemen beispielsweise polaren Charakter zuordnen, dann können wir Lust bekommen, nach den dazugehörigen Synthesen zu suchen.

Um zu solchen neuen Ufern gelangen zu können, ist es notwendig, das Alte zu verlassen. Es ist deshalb für die Teilnehmer eine erste Aufgabe gewesen, bezüglich unseres Themas altes, sicheres und gewohntes Denken zu verlassen, das sich beispielsweise ausdrückt in: ,,Kenne ich schon, ist nichts Neues, aber hat sich einigermaßen bewährt, bietet ausreichende Sicherheit - das Neue kenne ich nicht, ist Theorie, unbewiesen und ungewiß, kann danebengehen, ist deshalb nichts für mich`` zugunsten eines neuen Denkens im Sinne von: ,,Kenne ich noch nicht, macht mich neugierig, könnte möglich sein. Auf jeden Fall ist es spannend, ich gebe ihm eine Chance``.

Für unser Gespräch war die Aufgabe, Altes und Neues in eine ausgewogene Balance zueinander zu bringen und ggf. so zu einer neuen Synthese zu gelangen. Dafür ist es wichtig gewesen, daß wir den bekannten, den konservativen Gesichtspunkten der Medizin möglichst futuristische, ungewohnte Gedanken entgegenstellen. Die Aufgabenstellung für das Gespräch ist damit umschrieben. Für die Bewältigung haben wir einen Rahmen geschaffen, in dem es möglich gewesen ist, daß die Teilnehmer ohne Rücksichten freiweg auch Verwegenes, Ungewohntes, Überraschendes und sogar unsinnig Erscheinendes äußern konnten, ohne daß dadurch Nachteile für sie zu befürchten gewesen sind. Ein solches Vorgehen ist erleichtert und praktikabler geworden, seit die Ergebnisse der Chaosforschung gezeigt haben, daß etwas, das scheinbar unsinnig ist, bzw. chaotisch erscheint, aus einer anderen Perspektive durchaus logischem Denken entsprechen und sinnvoll sein kann.

Damit dieses Vorhaben hat gelingen können, ist es zunächst wichtig gewesen, daß sich die Teilnehmer auf eine gemeinsame Sprache geeinigt haben. Es ist eine nicht ganz so einfache Sache aus verschiedenen Disziplinen zu einer gleichsinnigen Verwendung von fachspezifisch manchmal ungenau definierten Begriffen zu gelangen, wie sich an manchen Stellen der Diskussion zeigen wird. Erst wenn eine solche Basis erarbeitet ist, kann es gelingen, fachübergreifende Probleme der Medizin und damit der Menschen integrierend und kooperativ anzugehen, damit ein Gegengewicht geschaffen wird zu dem in der Medizin besonders deutlichen Auseinanderdriften in die Spezialisierungen, das sicher zur heutigen Krise beigetragen hat. Da für unsere Veranstaltung nur einige Stunden zur Verfügung gestanden sind, haben wir diese wenige Zeit für ein solches Thema nicht damit zubringen wollen, daß die Teilnehmer zunächst ihren Ausgangsstandpunkt darlegen, sondern von Anfang an frisch von der Leber weg miteinander reden. Aus diesem Grund haben wir mit den Teilnehmern, soweit es ihnen möglich war, schon am Vorabend ein zwangloses Treffen durchgeführt. Außerdem hat jeder Teilnehmer seine persönliche Ausgangsbasis und seine Schwerpunkte für die Diskussion den anderen schon vor dem Gespräch in Form eines Statements und ggf. entsprechenden Literaturhinweisen zukommen lassen. Dies ist so frühzeitig erfolgt, daß genügend Zeit vorhanden gewesen ist, um sich vorab damit auseinanderzusetzen. Dadurch und durch das Treffen am Vorabend ist bereits eine mitmenschliche und fachliche Einstimmung erfolgt, die wesentlich zu der Offenheit und Produktivität der Diskussion beigetragen hat.

Die folgende Niederschrift des Colloquiums enthält zunächst die Statements der einzelnen Teilnehmer, damit Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, in die Ausgangsbasis des Gesprächs hineinversetzen können.

Wilhelmsfeld-Heidelberg, im September 1994 Die Herausgeber

Danksagung

Wir danken den Teilnehmern an diesem Colloquium für ihre intensive Mitarbeit, die für jeden von Ihnen mit entsprechenden Opfern verbunden gewesen ist. Wir danken der Ärztegesellschaft für Erfahrungsheilkunde e.V. für die organisatorische Abwicklung, der Universitätsfrauenklinik Heidelberg für die Bereitstellung des Raumes, und für die finanzielle Unterstützung den Firmen Boehringer Mannheim, Dr. Kade, Jenapharm sowie der Internationalen Gesellschaft für Psychotherapie und Psychopädie e.V. Dem Deutschen Institut für Bildung und Wissen danken wir für die liebenswürdige Unterstützung der Publikation dieser Niederschrift.

Wir hoffen, daß dieses Symposium den Anfang zu einer Reihe von Gesprächen machen wird, deren Aufgabe es sein wird, durch die Auseinandersetzung mit neuen und alten Gedanken Auswege, bzw. neue Wege zu entdecken, die aus der heutigen Krise zu ,,neuen Ufern`` führen.

Wir danken ganz herzlich Frau Marianne Wagner für das Schreiben diese Transkripts und Herrn Dr. Werner Eberl für seine Hilfe bei der Durchsicht.



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werner@ccsr.uiuc.edu
Wed Sep 21 08:46:15 CDT 1994